Außerklinische Intensivpflege – Änderungen zur Verordnung und Potenzialerhebung in Kraft

Berlin (kobinet) berichtet: Die im Juli 2023 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Änderungen zur außerklinischen Intensivpflege (AKI) traten am 15. September 2023 in Kraft. Ziel der Anpassungen ist es nach Informationen des G-BA, zu einer kontinuierlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten beizutragen. Der G-BA reagierte mit den Änderungen seiner AKI-Richtlinie auf die weiterhin zu niedrige Zahl verordnender und potenzialerhebender Ärztinnen und Ärzte. Zwar stieg die Anzahl insbesondere in den letzten Monaten an, allerdings ist der Bedarf bislang noch nicht gedeckt. Bis Ende 2024 gilt nunmehr eine Ausnahmeregelung für die vom Gesetzgeber vorgesehene Potenzialerhebung bei beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten. Darüber hinaus hat der G-BA den Kreis der Ärztinnen und Ärzte erweitert, die das Entwöhnungspotenzial erheben können. Zudem ist der Kreis der verordnungsberechtigten Ärztinnen und Ärzte erweitert worden, heißt es in der Presseinformation des G-BA.

Dazu erklärte Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA: „Um Engpässe in der Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege zu vermeiden, hat der G-BA mit den Anpassungen der Richtlinie einen praktikablen und rechtlich vertretbaren Weg gefunden. Es geht um ein komplexes und anspruchsvolles Leistungsangebot und entsprechend sind auch hohe Anforderungen an die Qualifikation der verordnenden und potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte geboten. Diese Anforderungen dürfen aber nicht dazu führen, dass die kontinuierliche Versorgung gefährdet wird, weil es noch nicht in allen Regionen ausreichend Ärztinnen und Ärzte gibt. Wir werden mit Unterstützung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung weiterhin beobachten, wie sich die Zahlen entwickeln.“

Ausnahmeregelung zur Potenzialerhebung bis Ende 2024

Der Gesetzgeber sieht vor, dass bei beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten vor jeder Verordnung von außerklinischer Intensivpflege eine sogenannte Potenzialerhebung stattfinden muss. Dabei wird geprüft, ob eine vollständige Entwöhnung der Patientinnen und Patienten oder ihre Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung bzw. die Entfernung der Trachealkanüle möglich ist. AKI kann nach Informationen des G-BA noch bis Ende 2024 ausnahmsweise auch ohne Prüfung des Entwöhnungspotenzials weiterverordnet werden, sofern keine qualifizierten Fachärztinnen und Fachärzte für eine Potenzialerhebung verfügbar sind.

Mehr Potenzialerhebende für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige

Eine Befugnis zur Potenzialerhebung speziell bei beatmungspflichtigen Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen können – neben Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin – nun auch weitere Fachpersonen anderer Facharztgruppen bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beantragen. Voraussetzung für alle Potenzialerhebenden ist nach G-BA-Angaben eine pneumologische Zusatzqualifikation oder der Nachweis mehrmonatiger Berufserfahrung in der Behandlung der spezifischen Patientengruppe in hierfür spezialisierten Einrichtungen.

Kreis der Verordnungsberechtigten wird erweitert

Neben den in der AKI-Richtlinie (§ 9) genannten Fachrichtungen dürfen weitere Ärztinnen und Ärzte bei ihrer KV eine Verordnungsberechtigung beantragen. Sie kann G-BA-Angaben immer dann erteilt werden, wenn nachweislich Kompetenzen im Umgang mit beatmeten und trachealkanülierten Versicherten bestehen. So können auch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte anderer Facharztgruppen, die diese Versicherten bereits heute betreuen, weiterhin in der Versorgung gehalten werden.

Hintergrund: Verordnung von außerklinischer Intensivpflege

Der Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege beruht seit Oktober 2020 auf einer neuen gesetzlichen Grundlage (§ 37c SGB V). Mit Ablauf der Übergangsreglung in der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie ist die Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege ab 31. Oktober 2023 verbindlich anzuwenden. Zugleich entfällt der Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege über die Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; dieser Passus wird dort nach dem 30. Oktober 2023 gestrichen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bietet für verordnende und potenzialerhebende Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen an: Zu den Informationen auf der KBV-Website

Arztpraxen und spezialisierte Einrichtungen, die das Entwöhnungspotenzial erheben und AKI verordnen dürfen, sind auch über das Gesundheitsportal zu finden: Zur Arztsuche

Link zur Presseinformation und weiteren Hintergrundinformationen des G-BA

Vor kurzem hat die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) eine Internetseite mit Erfahrungsberichten Betroffener zur Umsetzung von Außerklinischer Intensivpflege (AKI) gestartet. Hintergrund ist, dass Menschen, die bisher im Rahmen der häuslichen Krankenpflege (HKP) versorgt wurden, jetzt eine Verordnung über eine außerklinische Intensivpflege (AKI) benötigen. „Als ISL empfangen wir seit Monaten viele Nachrichten von Betroffenen, sowie Angehörigen, die derzeit durch das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) mit unzumutbaren Herausforderungen und existenziellen Schwierigkeiten konfrontiert werden“, teilte die Projektmitarbeiterin Eliza Gawin, die selbst mit AKI lebt, mit.

„Viele Menschen, wir reden hier von circa 21.000 AKI-Nutzer*innen in Deutschland, sehen ihre Versorgung und damit ihre selbstbestimmte Lebensführung in Gefahr“, betonte Eliza Gawin. Im Rahmen des von der Aktion Mensch geförderten Projektes “Das Recht auf außerklinische Intensivpflege – Begleitung und Umsetzung aus Betroffenenperspektive“ werden die über eine Eingabemaske eingereichten Erfahrungsberichte von Menschen mit AKI-Bedarf anonymisiert und veröffentlicht. Sie sind auf der Website www.aki-hkp.de abrufbar und über verschiedene Schwerpunktthemen sortiert. Auf der Plattform können Besucher*innen auch ihre eigenen Erfahrungsberichte beispielsweise mit der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD), oder der Suche nach verordnenden oder potenzialerhebenden Ärzt*innen an die ISL senden.

„Die Vielzahl an Berichten aus erster Hand macht es uns möglich, die Umsetzung des GKV‑IPReG nachvollziehbar zu monitoren, zu begleiten und die Politik mit den alarmierenden Missständen, sowie herausfordernden Lebenslagen von Betroffenen transparent zu konfrontieren“, heißt es vonseiten der ISL. Beim Gespräch des Deutschen Behindertenrats mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 7. September wurden die Probleme mit der Außerklinischen Intensivpflege ebenfalls angesprochen und die Probleme dem Minister geschildert.

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) ist eine menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und die Dachorganisation der Zentren für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie wurde nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch in Deutschland durchzusetzen.

Link zur AKI-Hompeage mit den Berichten: www.aki-hkp.de

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